Die reinste Form des Wahnsinnes ist es,alles beim Alten zu belassen und zu hoffen, dass sich etwas ändert.
~ Albert Einstein ~
Vorwort
Einige von euch haben es sicherlich in den sozialen Medien verfolgt bzw. erleben es selbst in den umliegenden Tierheimen und Tierschutzvereinen – ES IST VOLL. Um genauer zu sein: Voller als voll. Kaum mehr ein Zwinger ist frei und die Abgabeanfragen werden mehr und mehr. Auch im Tierheim Chemnitz weiß man kaum noch, in welche Ecke man zuerst rennen soll. Viele Hunde, die eigentlich individuelle Betreuung und viel Zeit benötigen würden, die Vertrauen fassen müssen, die physische und psychische Beschäftigung brauchen… Nebenbei klingelt das Telefon, die Interessenten stehen vor der Tür, den fleißigen Gassigehern müssen die Hunde überreicht werden und dann gibt es ja neben den Hunden auch noch gefühlt unendlich viele Katzen, sowie einige Exoten, Kleintiere, Vögel und die im Tierheim lebenden Klauentiere.
Auch wenn „Tierpfleger“ nur ein Beruf ist, sind wir uns sicher alle einig, dass dahinter viel mehr eine Berufung steckt. Den PC bequem nach 8 Stunden runterfahren und easy nach Hause gehen – das kann hier wohl kaum jemand. Trotz größter Bemühungen ist es einfach nicht mehr möglich, allen Tieren gerecht zu werden und da fängt es beim Platz bereits an… Ich meine – wo sollen sie denn alle hin? All die kranken, schwer vermittelbaren, verängstigten, unerzogenen und/oder alten Hunde? Ja selbst die netten, freundlichen, kleinen und unproblematischen Vertreter, die vor einigen Jahren im Tierheim ja kaum zu finden waren, sitzen ihre Zeit hinter Gittern, bevor sich jemand für sie interessiert.
Für Menschen, die sich mit der Thematik noch nie befasst haben, eröffnet sich hier wahrscheinlich eine komplett neue Welt und ich kann euch sagen: Die Abgründe sind tief und das Ende ist noch nicht erreicht. Zu jedem abgegebenen Hund gibt es auch eine Geschichte und als „TierPFLEGER“ wird man neben dem tierischen Schicksal auch mit den menschlichen Abgründen konfrontiert. Eine wahnsinnig schwere Last, die mehr und mehr auf viel zu wenigen Schultern verteilt ist. Es ist 5 nach 12, die Politik muss dringend handeln. Es gibt #zuvieleschnauzenfürzuwenighände und die #tierheimesindamende. Die Frage nach dem „Wo landen wir in 5 Jahren“ bzw. besser gefragt „Wo landen all die Hunde in 5 Jahren“ gibt mir persönlich mächtig zu denken…


Die Idee zum Projekt
Inspiriert von all den tollen Videos und Bildern, die wochenlang überall zu sehen waren, flogen mir tausend Ideen durch den Kopf. Gemeinsam mit den Pflegerinnen des Tierheims wurde also ein wahrer „Schlachtplan“ entworfen, wie man den Menschen da draußen am besten zeigen kann, mit was für Herausforderungen und Charakteren man tagtäglich konfrontiert wird. Wir reden hier ja schließlich nicht von Plüschtieren, sondern teilweise von nicht gesellschaftsfähigen Hunden, die andere Menschen unter anderem mehrfach schwer verletzt haben. Hinter jedem Einzelnen steht eine Geschichte und wir waren uns einig, dass nicht nur die „dunkle“ und „gefährliche“ Seite der Hunde gezeigt wird, sondern auch Einblicke in einen Charakter gegeben werden sollen, der den meisten Fremden wohl verborgen bleibt. So speziell wie sie alle sind, gute Seiten haben sie dennoch – wenn auch auf ihre eigene Art und Weise oder ausschließlich bei ihren festen Bezugspersonen. Wer nun Schuld daran trägt, dass die Hunde sind, wie sie sind… Diese Frage darf sich am Ende jeder selbst beantworten.
Die Umsetzung
Der Plan stand, nun brauchten wir nur noch die Fotos. Dank meines mobilen Studios kein Problem. Wer es nicht kennt kurz erklärt: Man nehme eine aufbaubare Leinwand, ein möglichst rutschfestes Plätzchen für die Hunde, ein bisschen Licht, eine Kamera, ganz viele Kekse und fertig. Klingt ganz entspannt, ist es an sich auch. Was ich dabei vor lauter Euphorie vielleicht ganz kurz vergaß: während des Fotografierens sitze ich nicht einmal einen Meter von den Hunden entfernt auf dem Fußboden, frontal gegenüber, habe neben mir einen Berg Leckerlies liegen und werfe diese in Richtung der Hunde… In einem Gang, wo links und rechts Wände sind. In Kombination mit „nicht gesellschaftsfähige Hunde“ bei denen neben Ressourcen auch fremde Menschen oft ein Thema sind, hab ich vielleicht dann doch auch mal tiefer ein- und ausgeatmet. Doch wie auch bei den Vermittlungsbildern vertraute ich den Pflegerinnen hier voll und ganz, denn ohne diese wäre die Umsetzung nicht möglich gewesen. Wahrscheinlich hätte ich nicht einmal 50% der Hunde überhaupt unfallfrei aus ihren Zwingern holen können (und wollen…). Regel Nr. 1 übrigens: Wenn ich daneben werfe, ja nicht reflexartig nach dem Keks greifen 😀

Das Ergebnis
Am Ende des Tages hatten wir stolze 17 Hunde vor der Kamera. Zum Zeitpunkt der Bilder beherbergte das Tierheim mehr als 30 Hunde… diese tagtäglich vollumfänglich zu versorgen, an manchen Tagen mit 2 Tierpflegern – das ist einfach nur der reinste Wahnsinn. Ohne Ehrenamtler, Praktikanten und FÖJler wäre es schon längst nicht mehr stemmbar. Ich gebe zu, dass ich mir das mit den „schnell mal ein paar Bilder machen“ auch echt leichter vorgestellt hatte und am Ende des Tages nach vielen Stunden echt platt war. Aufregend war es für alle und ich bedanke mich herzlichst, für die Möglichkeit und das Vertrauen – und dafür, dass alle 10 Finger heile geblieben sind 🙂 Als Resultat ist ein Video aller Bilder entstanden, was ihr am Ende des Blogs findet. Zunächst aber schauen wir uns mal die entstandenen Portraits an.
Frieda


Nero


Veit


Naju


Gerry


Seppel


Taro


Mo


Louis


Gustav


Phibie


Lucky


Lennox


Bob


Bruno


Cora


Bulli


Das Video
Ach, liebe Jenny, ich bin zutiefst berührt von dem Video. Es geht unter die Haut und ich musste mehrmals schlucken. Die meisten der Hunde kannte/kenne ich. Sicher bin ich auch deshalb so betroffen. Ich habe es weitergeleitet an alle, die ein Herz für Tiere haben. Hoffentlich erreicht es auch Menschen und Institutionen, die Maßnahmen ergreifen können und wollen, um grundlegend gegen diese Missstände vorzugehen, und zwar mit offenen Herzen und Händen.
Vielen Dank an dich und die Mitarbeiter des Tierheims für die großartige Arbeit.